3. Messung der astronomischen Sonnenscheindauer

3.1. Vorüberlegungen

Da ich die spätere Berechnung der astronomischen Sonnenscheindauer durch eine davon unabhängige Messreihe überprüfen wollte, war es notwendig ein geeignetes Messverfahren zu finden. Um die theoretische Sonnenscheindauer zu ermitteln, muss die Zeitspanne zwischen Sonnenaufgang und dem Sonnenuntergang bestimmt werden. Deshalb ist auch die schon erwähnte traditionelle meteorologische Messung nicht hilfreich, die über den ganzen Tag nur Sonnenschein einer bestimmten Intensität aufzeichnet. Zudem ist der tatsächliche Aufgangspunkt der Sonne bei den meisten Standorten nicht ersichtlich.

Es muss also ein Messverfahren entwickelt werden, bei dem der Zeitpunkt von theoretischem Sonnenuntergang und Sonnenaufgang bestimmt wird. Dies sollte aber unabhängig von der Strahlungsintensität und von der Geländeform der Umgebung sein. Deshalb wird es notwendig sein, den exakten, nicht beobachtbaren Zeitpunkt, anhand von Messergebnissen rechnerisch zu ermitteln.

3.2. Verwendetes Verfahren

Das verwendete Verfahren basiert auf der Idee, dass sich die Sonne beim Sonnenuntergang in gleichförmiger Geschwindigkeit dem Horizont nähert und dann bei einer bestimmten Position über dem Horizont (z.B. 0°) als untergegangen gilt. Um nun die Zeit bis zum eventuell nicht mehr sichtbaren Untergang rechnerisch zu überbrücken, muss die Geschwindigkeit der Sonne gemessen werden und dann in linearer Weise auf das fehlende Stück geschlossen werden:


In der obigen Grafik ist eine mögliche Messung dargestellt. Es existieren zwei Messpunkte, einer bei 5° und einer bei 10°, zwischen denen die Geschwindigkeit ermittelt wird. Messpunkte in diesem niedrigen Bereich sind auch anzustreben, da damit der künstlich berechnete Teil klein ist und weniger Einfluss auf die Messung hat. In diesem Beispiel wäre die Auswertung der Messung auch recht einfach, da die Zeit zwischen den beiden Messpunkten genau so groß wie die Zeit vom 2. Messpunkt bis zum gesuchten Sonnenuntergang sein muss.

3.3.Konstruktion der Mess-Apparatur

Ziel der Messung

Wie in der Grafik gezeigt, muss also für zwei verschiedene Messpunkte die Höhe der Sonne über dem Horizont und die zugehörige Zeit bestimmt werden. Dies kann theoretisch auf zwei verschiedene Arten geschehen:

Historische Messinstrumente

Historische Messinstrumente in der Astronomie hatten ähnliche Bestimmungen. Damals war es wichtig, die Höhe von Gestirnen über dem Horizont messen zu können. Der bekannteste Verwendungszweck ist die Ortsbestimmung in der Seefahrt, die erst durch den Sextanten und durch die genaue Kenntnis der Uhrzeit praktikabel wurde.


Der Quadrant, der als früher Vorläufer des Sextanten gesehen werden kann, war ein Messgerät, "mit dem die Höhen und Positionen von Gestirnen ermittelt wurden"4. Dazu wurde ein Stern über ein optisches Visier angepeilt und mit Hilfe eines Senklotes der Winkel auf einige Bogenminuten genau ab-gelesen5.


Abb. 3-2:

Crüger's großer Azimuthal-Quadrant,

Joh. A. Repsold; Geschichte der Astronomischen Messwerkzeuge, Band 1, Leipzig 1908, Seite 37

Aufbau des eigenen Messgeräts

Da die Messung zu jeder Jahreszeit unter ähnlichen Bedingungen ablaufen soll, werde ich versuchen, zu zwei festgelegten Winkeln die zugehörigen Zeitpunkte zu bestimmen, an denen die Sonne diese durchquert:


Hierbei wird das optische Visier des Quadranten durch ein "elektronisches" ersetzt. Wenn die Sonne die beiden Winkelhöhen durchquert, soll dies jeweils durch einen Helligkeitssensor am Ende eines Spaltes angezeigt werden. Das Sonnenlicht soll nur in dem durch den Spalt definierten Winkel auf den Sensor treffen können.


Für diesen Einsatzzweck habe ich den Fotowiderstand A 9060-11 ausgewählt:

"Fotowiderstande sind stromrichtungsunabhängige Halbleiterbauelemente, die ihren Widerstandswert beleuchtungsabhängig ändern."6


Abb. 3-4: Widerstand im Größenvergleich

Bei der im Graphen 11 vorliegenden logarithmischen Skalierung der y-Achse (Widerstand in Kilo-Ohm) ähnelt der Verlauf dem einer Gerade. Bei geringer Helligkeit (0,1 Lux) beträgt der Widerstand 100 kOhm und bei 1000 Lux ergeben sich 1 KOhm. Von mir wurde zusätzlich noch der Wert von 0,3 KOhm bei direkter Sonneneinstrahlung gemessen.

Abb. 3-5: Widerstandsverlauf des Fotowiderstands aus dessen Datenblatt

3.4. Stationäre Messstation

Die erste Messstation ist mein Versuch, eine halbautomatische Messung durchzuführen, bei der möglichst viele Ergebnisse von verschiedenen Tagen gewonnen werden können. Die Messung muss an unserem Haus durchgeführt werden, um mit vertretbarem Aufwand eine elektronische Aufzeichnung zu ermöglichen. Dies hat jedoch zur Folge, dass sehr große Winkel gewählt werden müssen, bei denen die Sonne nicht durch benachbarte Häuser und Bäume verdeckt wird. Leider war bis zum Winter aufgrund ungünstig stehender Bäume im Westen, nur eine Messung des Sonnenaufgangs möglich.

Messapparatur

Im Foto ist die am Balkon montierte Messeinrichtung zu sehen:

Die beiden Spalten sind aus Aluminiumblechen gefertigt, mit einem Abstand von 2 mm. Zur Vermeidung von Reflexion sind die Platten innen schwarz lackiert und der Lack-Glanz ist durch Anschleifen entfernt worden. Die beiden Fotowiderstände wurden parallel verbunden, damit sie mit einem Messkabel gemessen werden können.

Messerfassung

Zur Erfassung der Daten dient die bereits im Haus installierte Heizungs- und Solarsteuerung UVR1611. Sie hat 14 analoge Eingänge für Temperatursensoren, die Widerstände im Kilo-Ohm-Bereich zurückgeben. An einem freien Temperatur-Ausgang sind die zwei parallel verbundenen Fotowiderstände angeschlossen.

Die Werte aller Sensoren mit der jeweiligen Uhrzeit werden minütlich im internen Speicher abgelegt. Über ein fest installiertes Kabel von der Steuerung im Keller zum PC im Erdgeschoss, können diese Daten jederzeit ausgelesen werden. Die Daten der Fotowiderstände liegen als Temperatur vor, die erst in einen Widerstand umgerechnet werden müsste. Dies ist aber nicht notwendig, da die Zeitpunkte der Minimalwerte entscheidend sind.

3.5. Durchführung der stationären Messung

Die Messreihe wurde am 12.09.2004 gestartet. Wie sich bald herausstellt, können nur bei klarem Himmel Werte aufgezeichnet werden. Bei Nebel oder leichter Bewölkung reicht offenbar der Messbereich der Steuerung nicht aus, um den hohen Widerstand der Sensoren zu messen. Um mögliche Ungenauigkeiten durch das 1-minütige Messintervall zu umgehen, wird ein relativ großer Winkel zwischen den beiden Platten von 22° gewählt. Als Schwierigkeit erweist sich außerdem die Messung der beiden Winkel zur Lotrechten. Eine Wasserwaage als Referenzebene zum Messen der Höhendifferenz vorne und hinten an der Platte hat nur eine Genauigkeit von etwa 1 Grad. Das erste auswertbare Ergebnis war dann am 14. September.

Messung vom 14.9.04

Einstellungen:

1. Winkel: 9,3°; Abstand der Platten: 22°


Beim Sonnenaufgang des 14. September zeigt sich am 1. Messpunkt ein schwacher Ausschlag. Offenbar war zu dieser Zeit noch Frühnebel vorhanden, der die Beleuchtungsstärke herabsetzte. Aus dem Graphen der Aufzeichnung wurde der ungefähre Zeitpunkt des lokalen Minimums zu 7:55 Uhr bestimmt. Am 2. Messpunkt fällt der Widerstand zunächst kontinuierlich ab, was auf klares Wetter schließen lässt. Ab 9:52 Uhr steigt der Widerstand jedoch unerwartet unregelmäßig stark an. Hier haben Wolken eine exakte Bestimmung verhindert. Trotzdem soll aus den beiden Zeitpunkten ein Sonnenaufgang errechnet werden:

Zwischen dem 1. und dem 2. Messpunkt vergingen 117 Minuten:

(Winkelgeschwindigkeit zwischen den Messpunkten)


Für die Zeit t zwischen Sonnenaufgang und 1. Messpunkt gilt nach der zugrundeliegenden Annahme die selbe Winkelgeschwindigkeit:

Die Sonne ist demnach um 7:55 Uhr - 49 min aufgegangen, also um 7:06 Uhr. Dass dieser Wert nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, verwundert bei den ungenauen Werten kaum. Nach dem lokalen Wetterdienst ist die Sonne bereits um 6:47 Uhr aufgegangen.

Messung vom 19.9.04

1. Winkel: 6,3°; Abstand der Platten: 22°


Bei diesem Graphen sind zwei klare lokale Minima ersichtlich, es herrschte optimales Wetter, ohne Frühnebel und Wolken. Der Graph sinkt beim zweiten Messpunkt bis auf 30 herab.

1. Messpunkt: 7:35; 2. Messpunkt: 9:47

Rechnung analog zur letzten:

7:35 Uhr - 38 min = 6:57 Uhr

Dieses Ergebnis stimmt mit denen des Wetterdienstes bis auf 3 Minuten überein.

Messung vom 6.10.04

Der erste Winkel musste stark vergrößert werden, um nicht wie bei den letzten sonnigen Tagen (3.10. und 4.10.) im Schatten der Bäume zu liegen:

1. Winkel: 11,5°; Abstand der Platten: 22°


Bei diesem Graphen sind wieder zwei klare lokale Minima ersichtlich, allerdings mit wesentlich höheren Werten, die auf schlechte Beleuchtung schließen lassen.

1. Messpunkt: 8:41; 2. Messpunkt: 10:53

Rechnung analog zur letzten:

8:41 Uhr - 69 min = 7:32 Uhr

Dieses Ergebnis weicht 14 Minuten von den Angaben des Wetterdienstes ab.

Wenn die beiden Messpunkte zu hoch über dem Horizont liegen, ist die Annahme mit der gleichförmigen Geschwindigkeit offenbar nicht mehr zutreffend, dabei kommt höchstwahrscheinlich die bogenförmige Bahn der Sonne zum Tragen.

Weitere Messungen

Die weiteren ausgelesenen Daten entsprachen in ihrer Qualität in etwa denen der ersten Messung, falls überhaupt ein Wert im Messbereich erfasst wurde. Es wurde daraufhin noch mit weiteren Einstellungen experimentiert, unter anderem wurde die Ausrichtung der Platten an die veränderte Richtung des Sonnenaufgangs angepasst. Trotzdem konnten keine auswertbaren Ergebnisse mehr erzielt werden, da das Wetter über Wochen hinweg keinen morgendlich klaren Himmel zuließ. Im November lag dann der Aufstellort der Messeinrichtung morgens zu lange im Schatten des Nachbarhauses, so dass nur noch der zweite, spätere Messpunkt aufgezeichnet wurde.

3.6. Mobile Messstation

Um auch im Winter messen zu können, muss die Messeinrichtung einen Standort mit weitgehend freier Umgebung einnehmen können. Dazu wird eine zweite (verbesserte) Messstation gebaut, die unabhängig von der Heizungssteuerung am Haus eingesetzt werden kann. Außerdem sollten die Messpunkte wesentlich dichter über dem Horizont sein, um genauere Ergebnisse zu erreichen.

Messapparatur

Bei der mobilen Messstation wird nur ein Spalt (2 mm) verwendet, dessen Winkel aber durch Umdrehen schnell verstellt werden kann. Die beiden Winkel sind mit den Schrauben oben und unten festgelegt. Als lotrechte Ebene dient eine Glasplatte.

Messerfassung

Die Erfassung der Messdaten übernimmt dieses Mal das Digitalmultimeter Metex ME-31, das über die serielle Schnittstelle am Laptop angeschlossen ist. Damit können die Daten im Sekundentakt ausgelesen und gespeichert werden. Ein großer Vorteil dieser Methode ist der große und genaue Messbereich des Multimeters. Dadurch sollte eine sehr exakte Bestimmung der Minima möglich sein.

3.7. Durchführung der mobilen Messung

Das Bild zeigt die Messung des Sonnenaufgangs am 8. Januar 2005.

Zum Ausrichten der Lotrechten wurden Glasmurmeln verwendet, deren Davonrollen anzeigt, in welche Richtung die Referenzebene korrigiert werden muss. Dies erwies sich als wesentlich genauer als eine Wasserwaage.

An diesem Tag konnte dank hervorragender Wetterlage der Sonnenaufgang und der Sonnenuntergang gemessen werden, wobei dafür zwei unterschiedliche Orte mit möglichst freiem Horizont gewählt wurden.

Die Glasplatte wurde wie beschrieben genau lotrecht und in Richtung des Sonnenaufgangs ausgerichtet und der Widerstand des Sensors mit dem Laptop im Auto protokolliert. Nach dem Durchgang der Sonne durch den 1. Messpunkt wird die Aluplatte umgedreht, um den zweiten Winkel herzustellen.

Einstellungen

Mit den vier Schrauben wurden die zwei möglichen Positionen fest eingestellt, mittels einer Schublehre genau abgemessen und daraus der Winkel errechnet:

1. Winkel zur Lotrechten: 2,91°
2. Winkel zur Lotrechten: 6,73°

Messprotokoll Sonnenaufgang

Der Graph des Fotowiderstands (in KOhm) weist zwei lokale Tiefpunkte auf, die die beiden Messpunkte repräsentieren. Um 8:30 Uhr, nachdem der erste Messpunkt schon deutlich durchschritten war, wurde die Platte auf den zweiten, größeren Winkel umgedreht. Dadurch kam auch der sprunghafte Anstieg des Widerstandes zustande. Beachtenswert ist auch der Verlauf des Widerstands, der trotz identischer Fotowiderstände völlig anders als bei der stationären Messstation ist. Die Skalierung der Heizungssteuerung für die Temperatursensoren ist nämlich, im Gegensatz zu der eines Multimeters, logarithmisch.

Ergebnisse:

1. Messpunkt: 8:26:00 bei 474 Ohm; 2. Messpunkt: 8:57:30 bei 312 Ohm

Nach dieser Messung ist die Sonne also um 8:02 Uhr aufgegangen.

Messprotokoll Sonnenuntergang

Ergebnisse:

1. Messpunkt: 15:37:50 bei 309 Ohm; 2. Messpunkt: 16:11:20 bei 469 Ohm

Nach dieser Messung ist die Sonne also um 16:37 Uhr untergegangen.

3.8. Ergebnis der mobilen Messung

Aus den beiden Messungen ergibt sich ein Sonnenaufgang um 8:02 Uhr und ein Sonnenuntergang um 16:37. Dies entspricht einer Sonnenscheindauer von 8 Stunden und 35 Minuten.

Im Vergleich dazu:

Meine theoretische Berechnung: 8 Stunden und 36 Minuten.

Die Tabelle des US Naval Observatory: Sonnenschein von 8:00 bis 16:37, also 8 Stunden und 37 Minuten.

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